108 B. de Montparnasse
Paris 14.10.10
Sehr verehrte Frau Collegin!
Gestern spach ich persönlich mit Roger Marx über die Idee mit Rom, dich ich ihm schon schriftlich mitgeilt u. er sagte, dass er sehr darüber nachgedacht. Die Schwierigkeiten in der kurzen Zeit aber doch so grosse seien dass er diese Idee so schnell nicht realisiert sähe. Zunächst sollten diese Ausstellungen wie die sich jetzt in Wien organisiert, fortgesett werden, – das ist sicher notwendig u. die werden gewiss mit ihm berate nob es nächstes Jahr in Paris möglich sein wird. Hoffentlich können Sie die Eröffnung der Ausstellung so verfrühen dass R. Marx derselben beiwohnen kann, – es wäre wohl eine Schädigung wenn es nicht sein könnte. Aber schliesslich müsste es auch ohne ihm gehen. Ich Weiss nicht ob Sie Frau Käthe Kollwitz (Weissenburgerstr. 25, Berlin) zu dieser Ausstellung aufgefordert haben? Vermutlich ja, den sie ja die grösste Radiererin (incl. Männliche Künstler) die lebt u. Roger Marx ist voll passionierter Bewunderung für sie schon seit Jahren, – ich nehme für bestimmt an, dass Sie dieselbe aufgefordert haben sonst könnten ja leicht (per Post) die Blätter noch kommen. Ihr Händer, vorallem Radierungen zur Verfügung hat u. auch nach hier 11 geschickt, ist Emil Richter Hofkunsthandlung Dresden – wenn die Wände vergeben sind, könnte man sie unter Glaskästen in der Mitte des Saales auslegen – die Blätter kommen nicht ohne Rahmen.
Ihnen wird der Kopf brummen von allem was Sie zu tun haben! Sicher ist die Dame auf die ich gehofft nicht bereit mir die Reise nach Wien zu bezahlen u. so muss ich zu meinem grossen Bedauern verzichten Sie kennen zu lernen u. die Ausstellung zu sehen! Es ist für Sie die Möglicheit auf diplomatischem Wege die Ide emit Rom zu verwirklichen? – Paris mit seinen Streikbewegungen ist im Moment sehr unglücklich, man hört u. spricht nur dieses u. Kunst wird uninteressant – ich habe mich ganz vergraben in Arbeit. – Empfangen Sie die besten Grüsse. Ihre ergebenen Ida Gerhardi
Dieser Brief ist Teil der Serie Künstlerinnenbriefe
ARCH 21, Künstlerinnenbriefe zur Gründung der VBKÖ (Bl. 51-52)